Lerninteresse wecken

Bei einem Vortrag von Prof. Dr. Joachim Ludwig von der Universität Potsdam bin ich neulich wieder auf eine zunächst recht simpel klingende Frage aufmerksam geworden, die sich (wie so oft) beim zweiten Hinsehen als absolut nicht einfach darstellt.


Wie müssen Lehrende Lernarrangements gestalten, damit wir das individuelle Lerninteresse der Lernenden entweder wecken oder zumindest daran andocken können?

Also wie muss Lehren sein, damit gelernt wird? Und damit ist eben nicht nur gemeint, die Veranstaltung abwechselnd zu gestalten. Ludwig betonte, dass es im Sinne eines „Lernen-Machens, eines Anleitens und Hinführens“ eben genau darum geht, das lernende Subjekt dahin zu bringen, dass es von sich aus eine „Lernschleife“ ausführt.

Aber wann beginnen Menschen überhaupt damit, zu lernen? Kann man da einen „Zeitpunkt“ definieren? Der Psychologe Klaus Holzkamp bietet dazu eine Erklärung.
Menschen lernen, wenn sie in ihren „normalen“ Lebenshandlungen an ein Hindernis kommen, das neu ist und das sie überwinden wollen. Bei Holzkamp klingt das so:
„Zum Lernen kommt es immer dann, wenn das Subjekt in seinem normalen Handlungsvollzug auf Hindernisse oder Widerstände gestoßen ist und sich dabei vor einer „Handlungsproblematik“ sieht, die es nicht mit den aktuellen Mitteln und Fähigkeiten, sondern nur durch den Zwischenschritt oder (produktiven) Umweg des Einschaltens einer „Lernschleife“ überwinden kann.“

Das heißt dass es Menschen möglich ist, ihre individuelle Handlungsfähigkeit durch die bewusste Aneignung von Wissen im Austausch mit der Außenwelt zu erweitern – also zu lernen.

Aber: Es könnte ja sein, dass der Lernende eine Handlungsproblematik zwar erkennt, aber völlig desinteressiert (gewissermaßen) an ihr vorbeischlendert! Holzkamp meint dazu, dass der Lernende eben dann mit dem Lernen beginnt, wenn er sich in Anbetracht der festgestellten Problematik beeinträchtigt fühlt, er eine Diskrepanzerfahrung zwischen seinen Fähigkeiten und seinen Wünschen erlebt. Oder ganz einfach ausgedrückt: Er möchte etwas tun, kann es aber nicht!

Klingt völlig logisch, verlangt von Trainern aber einiges ab: Denn das heißt ja, dass wir diese Diskrepanzerfahrung mit den Teilnehmenden offenlegen und thematisieren sollten, um eben das individuelle Lerninteresse zu wecken. Denn nur, wenn der Lernende für sich erkennt, dass er dieses Hindernis, das durch Lernen zu überbrücken wäre, auch überbrücken möchte, weil das Ziel attraktiver erscheint als die Anstrengungen des Lernens, dann wird er mitgehen.

Die individuellen Lerninteressen sind also die Schlüssel, die wir brauchen, um Lernende zu aktivieren. Das wiederum gelingt laut Prof. Ludwig zum Beispiel dann, wenn wir zum Beispiel zu Beginn einer Lehrveranstaltung den zu lernenden Inhalt (des Trainings) in einen Praxisbezug zur Lebenswelt der Teilnehmenden bringen und nach eventuellen Diskrepanzerfahrungen zu fragen. Dieses Bewusstmachen von eventuellen Handlungsproblematiken kann helfen, das Lerninteresse der Lernenden zu wecken.

Eine einfache Frage könnte sein: Wo/wann/wie hatten Sie in Ihrer Arbeitswelt bereits Berührungen mit dem Thema und welche Schwierigkeiten tauchten dabei auf, die wir hier im Seminar besprechen/lösen sollten?

Mit einer solchen konsequenten Orientierung an den Lerninteressen der Teilnehmenden ermöglichen wir insgesamt einen höheren Lerneffekt. Also nur zu, machen Sie die Teilnehmenden tatsächlich zu Teilnehmenden.

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